Die teuerste Nudelsuppe der Welt – wie man ein Wochenend-Expressvisum für Vietnam bekommt

Es gibt ja bekanntlich so Wochen, da bleibt man besser im Bett. Das merkt man zum Beispiel spätestens dann, wenn man in einem Flieger Richtung Philippinen sitzt, in dem die Stewardess eine Tageszeitung mit der Titelschlagzeile BIG TYPHOON HEADING OUR WAY austeilt. Sowas von zur falschen Zeit am falschen Ort: ich.

Eh klar, dass das Rückflugticket für anderthalb Wochen später längst gebucht ist – Einreisebestimmungen. Es ist Mittwoch. Prognosen darüber, wie schlimm es denn nun tatsächlich werden soll, sind für Freitagabend angesetzt.

Also erstmal ein paar frittierte Hühnerbeine essen, über die Gottesfürchtigkeit der Philippinos den Kopf schütteln (auf der Taifunvorhersage-Facebookpage werden fleißig Gebete gepostet) und Manila erkunden. Ich bin mit einem Rechercheauftrag hier, also heißt es erst mal Augen zu und durch, Job ist schließlich Job.

Gegen Donnerstagabend füllt sich das ansonsten nicht gerade als Touristenmagnet bekannte Manila mit anderen Reisenden, die von den umliegenden Inseln hierher zurückgeschickt werden. An den Stränden verbarrikadiert man sich, Inlandsflüge werden gecancelt, Kokosnüsse und herabhängende Äste von den Bäumen geschnitten, damit niemand erschlagen wird.

Auch ein Teil der Weihnachtsdeko muss weichen. „Schade“. „Könnte dann doch schon ganz schön schlimm werden,“ titelt die Tageszeitung heute. Keine Chance, jetzt noch aus Manila nach Restphilippinen rauszukommen. So traumhaft werden die angeblich schönsten Strände der Welt in den nächsten Tagen vermutlich eh nicht sein.

Am Freitag macht sich Lagerkoller breit. Fertig recherchiert, Migräne vom Smog. Das philippinische Essen verursacht bei mir ein latentes Würgebedürfnis, ebenso wie die Kinder, die mich humpelnd am Krückstock um „Money for Christmas“ anbetteln und Sekunden später quietschfidel und wundergeheilt über die Straße hüpfen.

„Be more like Jesus“ steht als Motivationsspruch über dem Spiegel einer öffentlichen Toilette, in der Mall gibt es Weihnachtsdeko mit dem Motto „Christmas at the Vatican“. Sich mit Santa Claus, der Schweizer Garde und ein paar nuttigen Weihnachtsengeln in einem geliehenen Wintermantel vor der Petersdom-Fototapete ablichten zu lassen: ab einem Einkaufswert von 1000 Pesos gratis.

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Der Taifun bewegt sich derart langsam, dass ich bis mindestens Dienstagmittag hier festsitzen soll. Wie schlimm es wird, ist nach wie vor unklar. Beim letzten dieser Größenordnung sind 7.200 Menschen gestorben. Meine Eltern und Freunde fangen an, mir panische Messages zu schreiben.

Längst gebuchtes Rückflugticket hin oder her: ich sehne mich nach der sanften Umarmung von Onkel Ho Chi Minh und einer tröstenden Schüssel Pho mit viel Limette.

Super Urgent Vietnam Express Visa? Kein Problem, sagt die Website einer dieser Onlineagenturen, in 3-4 Working Hours ist es da. Check, bestellt. Länger mit der ziemlich kafkaesken Flugumbuchungshotline von Philippine Airlines gestritten und (um die 200 Euro) verloren – auch egal, nur raus hier. Neuen Flug für Samstagabend gebucht, aufgeatmet.

Samstagmorgen checke ich den Status meines Visumsantrags: pending. Das waren jetzt aber schon deutlich mehr als 3-4 Stunden? Drei passiv-agressive, leicht panische Emails später erhalte ich Antwort:

Hello Mr Theresa, Thank you for your email and application. However Vietnam Immigration Department is closed on Sat & Sunday. So that your visa approval can not be processed these day. You visa will be just processed on Monday Morning. We will send you approval letter on Monday Morning (around 9:00 AM Vietnam Time). You must change your flight to Vietnam on Monday next week. Best regards, David

Wie gesagt: Es gibt so Wochen, da bleibt man besser im Bett. Montag soll der Taifun Manila erreichen. Schon jetzt werden viele Flüge gecancelt. Wenn ich noch einmal Rice and Chicken essen muss, stürze ich mich freiwillig ins Meer. Ich google mir die Finger blutig und finde eine Agency, die nach ein bisschen Rumgestresse angibt, das für mich regeln zu können.

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Okay, how much? 265$. „Airport fee“. Für einen Service, der mit genügend Vorlaufzeit um die 60 kosten sollte. 265$ verdient in Vietnam ein Parkwächter im Monat. Oder wahrscheinlich eben auch der Flughafenbeamte vom Immigrations Counter, der meinen mies gephotoshopten Visa on Arrival Invitation Letter mit falsch geschriebenem Drittvornamen schlucken und mir den verdammten Stempel in den Pass drücken soll. Auch schon egal. Was kostet die Welt? The heart wants what the heart wants: die teuerste Schüssel Pho aller Zeiten.

Am Flughafen Manila ist es gespenstisch still. Die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm? Eine Frau versucht, mir zwei Kilo „Excess Baggage“ für meinen „such small Backpack“ unterzujubeln. Really, Alte? Transportier das Zeug doch im Arsch.

„Can I see your Invitation Letter?“ fragt mich die Bodenstewardess am Check-In. Ich bemühe mich redlich, nicht mit den Händen zu zittern, als ich ihr das papierne Photoshopdisaster überreiche. Sie liest sich das ganze sehr, SEHR ausführlich durch. Mir wird ein bisschen schwarz vor Augen. Ich atme ein und versuche zu lächeln. „Okay Ma´am, enjoy your flight!“

Selbes Spiel am Gate: ausgiebiger kann man ein Stück Papier nicht studieren. Dann die Durchsage: der Flug nach Ghangzhou, zehn Minuten nach meinem, wurde gerade gecancelt. Eine chinesische Großfamilie rastet komplett aus. Danke für das Ablenkungsmanöver! So schnell bin ich noch nie eine Gangway hinuntergewetzt.

Der Flieger steht noch eine Dreiviertelstunde am Rollfeld und hebt erst ab, als ich auch schon kurz davor bin, den Herrn Jesus um Erbarmen zu bitten.

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Am Gate in Saigon erwartet mich ein unmotivierter vietnamesischer Dude mit spitzen Schuhen, der mir gelangweilt Pass, Foto und Einreiseantrag abnimmt. Mit „just wait here“ platziert er mich auf der am weitesten vom Schalter entfernten Bank und unterhält sich sehr, SEHR lange mit dem Einreisebeamten. Atmen. Ich vermeide jeglichen Blickkontakt. Er kommt zurück, wedelt gelangweilt mit meinem Pass. Macht noch eben eine Kopie. Gibt mir das Ding.

Sieht aus wie ein Visum, ist ein Visum! Sogar mein Name ist endlich richtig geschrieben! Ich schmettere dem Immigrations Officer ein enthusiastisches „Xin cháo“ entgegen. Noch nie sah der räudige Arrival-Bereich des Tan-Son-Nhat International Airport nachts um eins schöner aus. Ich mag Nudelsuppe.

Hinweis zum Visum: Wenn du ein paar Tage mehr Zeit hast als Theresa um für Vietnam ein Visa on Arrival zu beantragen, dann empfehlen wir dir den Service von Destination Vietnam. Wir haben dort schon mehrfach schnell und unkompliziert die Unterlagen erhalten, jedoch sollte man eine Woche einplanen. Weitere Infos findest du hier.

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