Laura ist Künstlerin, kommt aus dem schönen aber kalten Finnland, und lebt und arbeitet seit einigen Jahren in Berlin. Weil wir so gern eine neue Perspektive auf die Dinge gewinnen, haben wir uns mit ihr getroffen und sie über ihre Arbeiten, aber vor allem auch über ihr Verhältnis zu Berlin ausgequetscht.
Zudem hat sie uns verraten, wo sie ich in Berlin am wohlsten fühlt und wo sie hingeht, wenn ihr mal nach finnischer Sauna ist. Laura ist unser Stadtkind im Januar. Los geht es mit dem Interview.
Hey Laura, wie geht’s dir? Passenderweise ist diese Frage ja auch gleichzeitig der Titel einer deiner Arbeiten. Was für eine Geschichte steckt dahinter?
Die Serie ‚Wie geht es dir?’ ist schon 2010 entstanden. Es geht darum, wie Menschen sich wiedertreffen, oder genauer gesagt, wie sie stehenbleiben, um zu fragen, wie es der anderen Person geht… oder ob sie das überhaupt tun.
In den letzten Jahren dreht sich der Hintergrund meiner Arbeiten um Dinge wie Verwandte, die man in der Eile vergessen hat, Probleme, die man aufbauscht und die allgemeine, konstante Hektik der Menschen. Ein anderes Thema, mit dem ich mich in den letzten Jahren beschäftigt habe, sind Familienbeziehungen. In meinen Arbeiten setze ich mit der Problematik von sozialen Beziehungen auseinander. Unser Leben spielt sich heutzutage so stark in den sozialen Medien ab. Ich mache mir Sorgen darum, wie sich Menschen im echten Leben treffen, in Cafés oder auf ihrer Joggingstrecke.
‚Wie geht es dir?’ zeigt, dass dir jemand wichtig ist. Auf Facebook zum Beispiel kann die Realität zu rosig wirken. Ich habe Angst, dass die Menschen irgendwann aufhören, sich auch mit schwierigen Dingen zu konfrontieren, die nun mal im echten Leben passieren.
Die häufigste Antwort auf ein ‚Wie geht es dir?’ ist in Finnland ‚Ganz gut!’. Das ist eine ziemlich bequeme Antwort, um einer unangenehmen Situation auszuweichen und nicht darüber nachdenken zu müssen, ob diese Antwort wirklich der Wahrheit entspricht. Einem guten Freund würde man all die freudigen und extrem traurigen Dinge anvertrauen, Bekannten eher nicht. Da steckt ein breites Thema hinter dieser Arbeit. Übrigens, wie geht es dir heute? Hast du dir heute schon die Zeit genommen, um kurz innezuhalten und darüber nachzudenken?
Du bist finnische Künstlerin und lebst in Berlin. Was hat dich nach Berlin verschlagen? Die Arbeitsumgebung?
Ich war 2008 zum ersten Mal für einen Monat in Berlin, als Künstler der Kulturstiftung von Uusimaa. Der Sitz war in Wedding. Als Künstler war ich hin und weg von der Freiheit, der Kultur und der Vielfältigkeit hier in Berlin. Das war einer der Gründe, warum ich heute hier lebe.
Anderseits finde ich es extrem spannend, Netzwerke zu knüpfen und sich künstlerisch auch auf andere Länder auszuweiten. Deutschland ist mit seiner Lage mitten in Europa ein gutes Sprungbrett. Im August habe ich an einem finnischen Projekt namens Finland-Station in Frankfurt am Main teilgenommen und viele interessante Personen getroffen, die in der Kunstszene arbeiten.
Ich habe eine Zeit lang in Finnland gelebt und gemerkt, dass Finnen und Deutsche eigentlich vieles gemeinsam haben. Sie sind ziemlich genau, arbeiten hart und sind immer pünktlich. Und es ist nicht so leicht, sich mit ihnen anzufreunden. Obwohl die Finnen da vielleicht noch ein wenig zugeknöpfter sind. Stimmt das? Wie freundet man sich mit einem Finnen an?
Finnisch zu sein ist eine Welt für sich. Ich glaube, wir sind bekannt für unsere Melancholie und Introvertiertheit. Aber natürlich sind wir nicht alle so. Ich glaube, wir haben eine Art finnisches sisu.
Sich mit Finnen anzufreunden kann schwierig sein. In einer Sauna könnte es klappen oder bei irgendeiner Aktivität, die den Finnen am Herzen liegt. Ich würde vielleicht ein bisschen etwas über finnisches Essen herausfinden, über Carelian pies oder Turku-Senf. Oder zu einem Cottage gehen. Oder etwas über Marimekko lernen. Ich denke, an irgendeinem Punkt würde so etwas das Eis brechen und ihr würdet miteinander reden. Du solltest vielleicht im Hinterkopf behalten, dass Finnen nicht gerade die Meister des Smalltalks sind und ihnen das nicht übel nehmen.
Du hast uns erzählt, dass du es magst, an Orten zu sein, an denen du die Sprache nicht verstehst. Kannst du uns das genauer erklären? Beeinflusst das deine Arbeit?
Ein Kunstkritiker könnte euch das wahrscheinlich besser analysieren als ich, aber es kann schon sein, dass es meine Arbeit auf eine gewisse Art beeinflusst. Ich mag es, ein Außenseiter zu sein und die Dinge dadurch aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Dass ich gerade weit weg von meinem Heimatland bin, bringt ebenfalls eine bestimmte Perspektive auf die Dinge mit sich und in meine neuen Arbeiten.
So langsam verstehe ich die deutsche Sprache besser, aber es ist wirklich schwierig, deutsch zu lernen. Ich genieße also auch hier immer noch den Außenseiter-Status, weil ich noch immer nicht alles verstehe, worüber gesprochen wird. Manchmal führt das natürlich auch zu Problemen, wenn ich in einer Situation bin, in der es wichtig wäre, besser deutsch zu sprechen. Aber ich werde immer besser!
Du bist Co-Founder des Showrooms ‚Berliini’ in Mitte, in dem ihr Arbeiten von finnischen Künstlern ausstellt. Siehst du dich als Botschafter der finnischen Kunstszene in Berlin?
Wir haben den Showroom im Herbst 2014 eröffnet und konzentrieren uns darauf, hochwertige finnische Kunst international zu präsentieren.
Du hast daneben noch ein wunderschönes Atelier in der Nähe des Hermannplatzes in Kreuzberg. Entstehen hier all deine neuen Arbeiten oder arbeitest du auch an anderen Orten? Zum Beispiel in Finnland oder anderen Orten rund um den Globus?
Ja, die meisten meiner neuen Arbeiten entstehen im Atelier, aber ich habe im letzten Jahr zum Beispiel Hanna Ojamo in ihrer Künstlerresidenz in Griechenland besucht und dort an einigen Werken gearbeitet.
Mein Atelier ist mein Heiligtum und das Zentrum meiner künstlerischen Arbeit in Berlin. Aber daneben arbeite ich fast jedes Jahr eine Zeit lang an verschiedenen Ort der Welt. In den letzten Jahren bin ich unter anderem nach Mexico, Indien, Italien und Spanien gereist. Diese Reisen waren für mich in vielerlei Hinsicht wichtig. Meine Sicht auf die Welt hat sich erweitert und das Reisen ist eine gute Quelle für die Themen meiner Arbeit. Auch wenn das nicht sofort in meinen Arbeiten auftaucht, irgendwann wird es das. Mein Heim und mein Atelier sind zwar zur Zeit in Berlin, aber meine Arbeit ist an keinen bestimmten Ort gebunden.
Siehst du dich selbst als modernen Nomaden? Ist Berlin dein Zuhause oder nur eine Station in deinem Leben?
Ich glaube, ich habe nicht viel von einem Nomaden, aber andere Kulturen und Orte kennenzulernen war mir in den letzten Jahren sehr wichtig. Aber ich mag auch familiäre und ‚sichere’ Dinge – einen normalen Alltag ohne größere Pläne. Berlin ist für mich einfach gerade der Ort, an dem ich auf diesem Planeten lebe.
Lass uns ein wenig über deine Arbeiten sprechen. Du arbeitest oft mit bedruckten Textilien, zum Beispiel bei ‚Sorry honey, today went work late’ oder ‚prisoner of you own’. Ist das dein Lieblingsmaterial?
Ich habe bereits einen Bachelor in Textildesign und Kunsthandwerk im Bereich Keramik gemacht, bevor ich 2006 meinen Master of Arts an der Aalto University in Helsinki abgeschlossen habe. Ich arbeite mit vielen verschiedenen Materialien und Techniken, außerdem mit Sound und Poesie. Meine Arbeiten bestehen aus vielen verschiedenen Elementen und ich kombiniere sie miteinander.
In den letzten Jahren habe ich viele Arbeiten mit Textilien gemacht und Textildruck liegt mir sehr am Herzen. Textilien faszinieren mich und ich mag die Tatsache, dass ich meine Arbeiten langsam zusammennähen kann. Außerdem sind sie leicht von einem Ort zum anderen zu transportieren, weil sie leicht sind und man das Füllmaterial herausnehmen kann.
Die ‚Stress Balls’ sind schwarze Textilbälle mit vielen angenähten Händen. Ich würde mir auch manchmal ein paar Hände mehr wünschen. Geht dir das genauso, wenn du all deine Arbeit geschafft bekommen möchtest und gleichzeitig Zeit für deine Familie finden willst?
Ich bin von Natur aus fleißig und voller Energie. Ich habe in den letzten Jahren sehr viel produziert, auch wenn ein bisschen weniger vielleicht genug gewesen wäre. Ich habe das Gefühl, dass es heute mit all den unendlichen Möglichkeiten schwierig ist, sich die Dinge auszusuchen, die man wirklich machen will und seine Zeit richtig zu nutzen, um zu verhindern, dass man sich gestresst fühlt und ausbrennt. Die heutige Zeit ist eine Herausforderung für diejenigen, deren innerer Kompass nicht ausbalanciert ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir mehr Hände wünschen würde, sondern eher, mich in einem Zustand von Frieden und Erfüllung zu befinden, in dem physische und psychische Fitness Hand in Hand gehen. Für mich ist meine Familie das Wichtigste, mein sicherer Hafen.
Meine Lieblingsarbeit von dir ist ‚Pill Days’. Ich mag die Farben und die Idee. Du hast uns erzählt, dass du Antibabypillen-Verpackungen hierfür verwendet hast. Willst du uns ein bisschen mehr über den Hintergrund dieser Arbeit erzählen?
‚Pill days’ ist eine Arbeit von 2010. Die Arbeit besteht aus Tonabgüssen von Antibabypillen-Verpackungen. Die Formen wurden erst in einem Keramikofen und dann mit einer speziellen Schwarzer-Rauch-Technik gebrannt. Die schwarzen und grauen Schatten sind das Ergebnis des Brennens, des Rauches und dem Schmoren.
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema der zahlreichen Hormone, die Frauen mit der Pille zu sich nehmen und wie diese sich auf ihre Psyche auswirken.
Hast du spezielle Lieblingsorte in Berlin, die dich inspirieren oder an denen du dich besonders gerne aufhälst? Parks? Ausstellungen? Bars?
Den Frühstücksmarkt in der Markthalle 9 in Kreuzberg. Die Galerien in der Nähe der Kochstraße und der Potsdamer Straße, den Gleisdreieckpark und den Viktoriapark. Den Lucia Weihnachtsmarkt zur Weihnachtszeit. Die Bergmannstraße und die Markthalle auf dem Marheinekeplatz.
Du hast eine kleine Tochter. Welche Orte mag sie in der Stadt? Wo geht ihr gerne gemeinsam hin?
In den Gleisdreieckpark und den Viktoriapark ganz in der Nähe. Und das Kinder-Café Kreuzzwerg. Wir gehen auch gerne zum Street Food Thursday in der Markthalle 9, wo sie spielen kann, während wir essen. Und sie liebt die obere Etage des M19 Busses.
Finnische und deutsche Saunen sind sehr unterschiedlich. Ich persönlich mag die finnische Variante lieber, weil sie sozialer ist. Als Finnin musst du die Saunen deiner Heimat sicher vermissen? Wohin gehst du, wenn du unbedingt einen finnischen Saunagang brauchst?
Zum Finnland-Zentrum in der Nähe des Marheinekeplatzes. Sie haben alle zwei Wochen Sauna. Oder man kann sie ganz für sich reservieren.
Berliner regen sich ja gerne mal über den Winter in der Stadt auf. Für dich ist das wahrscheinlich nichts Besonderes. Bleibst du während der Wintermonate in der Stadt? Oder flüchtest du in wärmere Regionen?
Als Finnin habe ich keine Angst vor der Kälte. Aber ich muss zugeben, dass ihr in Berlin einen sehr sehr kalten Wind habt, der noch beißender ist als in Helsinki. Und das, obwohl Helsinki am Meer liegt. Ich vermisse die strapazierfähigen finnischen Winterklamotten hier extrem. Aber ich habe trotzdem nicht die Gewohnheit, in wärmere Regionen flüchten.
Kiitos! Vielen lieben Dank dir für das Interview und den Einblick in dein Atelier und deinen Showroom!
Mehr über Lauras Arbeiten findest du übrigens auf ihrer Homepage!
Das sind ja wirklich coole Stücke! Tolle und interessante Künstlerin