Es gibt diese Entdeckungen beim Streunen durch die Stadt, bei denen du ganz verzückt stehenbleibst und weißt, dass du gerade auf einen neuen Lieblingsort gestoßen bist. Einer davon liegt ein wenig versteckt am Ende der Pannierstraße in Neukölln und trägt den passenden Namen Roamers.
Eigentlich ist das Roamers eine dieser Entdeckungen, die man am liebsten für sich behalten würde. Wahrscheinlich liegt es an der Gesamtmischung aus verdammt gutem Kaffee, selbstgemachtem Essen, netten Menschen und der liebevollen Inneneinrichtung, die diesem kleinen Café die perfekte Wohlfühlatmosphäre verleiht.
Außerdem findet man zu jeder Tageszeit einen mehr als guten Grund, an einem der wenigen Tische zu verweilen. Um morgens mit Kaffee und Müsli oder Rührei in den Tag zu starten, hier zu arbeiten und sich zur Mittagspause eine Suppe oder ein selbstgemachtes Sandwiches zu bestellen oder sich nachmittags mit Freunden auf ein Stück Carrot Cake und einen Chai Tee zu treffen.
Ich wollte unbedingt ein bisschen mehr über diesen wundervollen Ort erfahren und habe mich mit Flore, dem Besitzer, über Hausgemachtes, Handgemachtes und Detailverliebtheit unterhalten.
Wie kommt man dazu, seinen Job zu schmeißen, um sein eigenes Café in Berlin zu eröffnen?
Ich hatte vorher einen ganz normalen 9-to-5-Job als Social Media Manager und Online Editor, aber irgendwann hat es mir einfach gereicht. Das Gefühl, nur noch für irgendwen anders zu arbeiten, da hatte ich einfach keine Lust mehr drauf. Das bin ich einfach nicht.
Ich wollte schon immer mein eigenes Café aufmachen. Und dann habe ich ungefähr so ein Jahr lang nebenbei nach einem passenden Laden gesucht und bin irgendwann auf diesen Ort hier gestoßen. Hier war vorher ein mexikanisches Café drin. Ich habe diesen Laden gesehen und gesagt: „Genau das, genau die Größe, das isses!“ So eine Größe hat einfach eine ganz andere Atmosphäre, als wenn es so ein Riesenladen ist.
Mittlerweile ist hier teils so viel los, ich bin manchmal ganz erschrocken. Der Laden ist eigentlich gar nicht dafür ausgelegt, weil es eigentlich gar kein Gastroladen ist. Das war früher mal ein Späti. Aber das macht es auch so schön. Deswegen sieht es auch eher aus wie ein privates Wohnzimmer.
Aber das liegt wohl eher an eurer gemütlichen Inneneinrichtung?
Ich war ein paarmal in Kalifornien und in Portland. Die Läden dort haben mich sehr beeinflusst. Ich fand die ganzen Kaffeeläden hier in Berlin vom Stil irgendwie zu mutti-mäßig. Also ich mag sie alle, ich will das gar nicht verallgemeinern. Aber es war mir irgendwie alles zu ‚deutsch‘, zu ordentlich. Ich wollte es ein bisschen rougher, ein bisschen salon-mäßiger sozusagen.
Wie hast du all die Dinge für die Einrichtung gefunden?
Wir haben alles selbst gebaut. Mein Onkel ist Wissenschaftler und hat in Dessau eine Riesenfabrikhalle, in der diese ganzen Möbel und Lampen standen. Irgendwann haben sie die geschlossen und wollten alles kaputtmachen, da hab ich halt gesagt: „Ich nehm’ die ganze Halle!“ Ich hab Tonnen von dem Zeug.
Das ganze Holz stammt von den alten Stalltüren der Ponyfarm meiner Eltern. Und meine Tante hat einen Blumenladen, deswegen hatte ich schon immer überall Pflanzen in meiner Wohnung und kenne mich so ein bisschen aus.
Also schleppst du die ganzen Pflanzen an?
Ja, ich schlepp hier eigentlich alles an. Und meine Freundin, die schleppt auch immer ziemlich viel an.
Macht ihr das bei den Ideen für eure Karte genauso?
Ja. Ich koche schon, seitdem ich 15 bin und habe extrem viele Rezepte gesammelt und Inspiration von verschiedenen Leuten bekommen. Ich hatte ein gewisses Grund-Repertoire und habe einfach geschaut, was hier umsetzbar ist.
Viele Dinge kommen auch von den Leuten, die hier arbeiten. Marlon zum Beispiel hat viel mit eingebracht, das Beef-Sandwich oder unser Feigenbrot im Sommer. Unsere Karte wird sich auch immerzu verändern. Es kann sein, dass wir irgendwann mal ganz anderes Essen haben werden. Wir machen alles selbst und setzen uns alle regelmäßig zusammen und überlegen gemeinsam, was wir realisieren könnten. Oder einer von uns sieht etwas und schickt es an die anderen rum.
Alle sind frei, ihre Ideen einzubringen, deswegen ist die Stimmung hier auch so gut. Manchmal natürlich nicht, weil ich manchmal auch ein Trottel bin, aber gut, sind wir alle mal. Mir hat auch keiner beigebracht, wie man ein Chef ist. Aber ich bin voll zufrieden mit der Qualität und die anderen auch, glaube ich. Es hat sich alles gut gefügt und wir sind so ein bisschen wie eine kleine Familie.
Das Ergebnis eurer Kreationen kann man auch auf eurem Instagram-Account bewundern. Wer macht die wundervollen Fotos?
Sasha Kharchenko macht seit Anfang an alle Fotos für uns. Sie kam hier irgendwann mal rein und meinte, alles sei so schön und ob sie es fotografieren könnte. Dann habe ich ihr erzählt, was ich mir vorstelle und wir haben über die Zeit unsere ganz eigene Bildsprache entwickelt. Am Anfang war alles komplett anders, wir haben in vielen ganz kleinen Schritten Dinge verändert. Andere Gläser, andere Tassen, anderes Servierbesteck, andere Gerichte, andere Lebensmittel und so weiter. Wir dekorieren viel mit getrockneten Kräutern. Da sind ihre Fotos natürlich wichtig für uns, viele Leute erkennen das Roamers mittlerweile an unseren Bildern.
Wie bist du eigentlich auf den Namen Roamers gekommen?
Das ging eigentlich ziemlich schnell. Ich wollte unbedingt etwas Amerikanisches, weil das hier für mich auch so ein amerikanisches Bild ist und ich Amerika einfach super finde. Für mich gibt es kein attraktiveres Land. Da werde ich auch irgendwann nochmal hinziehen, wenn ich kann.
Also saß ich hier am Tisch und hatte so fünf, sechs Vorschläge an Wörtern, die mir gefallen im Englischen. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich auf Roamers gestoßen bin. Vielleicht hab ich das irgendwann mal gelesen in einem Text, in dem irgendwas mit Vagabund oder Streuner stand. Sowas gibt’s ja oft. Aber der Name passte halt sofort.
Wo streunst du gerne rum, wenn du gerade nicht im Laden bist?
Ich gehe gerne in den Comenius-Garten im Richardkiez hier in Neukölln, das ist so ein ganz kleiner privater Garten mit einer Statue von ihm, einem kleinen Teich und so weiter. Ansonsten gebe ich mein Geld gerne in anderen Gastronomien aus, wenn ich den ganzen Tag gearbeitet habe, wie das halt so ist. Aber ich brauche auch ziemlich viel Ruhe neben dem Laden und habe eigentlich gar nicht so das Bedürfnis, rauszugehen.
Wie sehen deine weitere Pläne für das Roamers aus?
Alle sagen mir, das Ganze kapitalistisch zu sehen, einen zweiten Laden zu machen oder so. Aber ich bin eher Perfektionist als Kapitalist. Deswegen möchte ich gerne, dass es noch schöner wird, noch besser für die Leute, noch ein bisschen bequemer.
Noch bequemer, als es sowieso schon ist?
Ja, man kann ja immer noch kleine Sachen verändern. Gerade haben wir zum Beispiel neue Bänke für draußen gebaut. Jetzt werde ich die Tische verändern. Und wahrscheinlich immer mal wieder ein paar neue Pflanzen mitbringen…
Ansonsten beginne ich gerade ein bisschen was in Richtung Concept Store aufzubauen. Wir haben jetzt zum Beispiel eine Kooperation mit Leens Jan Ondra von Ondura Durable Goods. Er stellt verschiedene handgemachte Ledersachen her und fand unseren Laden total passend für seine Produkte. Dann habe ich ihm erzählt, dass ich gerne unsere Emaille-Tassen branden würde, es aber einfach sauteuer ist, sie noch einmal brennen zu lassen. Jetzt hat er extra für uns eigene Lederbanderolen und Untersetzer entwickelt.
Und wir haben von Bohazel Kissen, Decken und Makramee-Blumenampeln bekommen. Das ist ein kleiner, voll guter Laden im Schillerkiez. Sie machen die Sachen alle selbst. Ich schicke unsere Gäste dann immer zu ihnen und jetzt verkaufen wir die Kissen auch hier.
Also suchst du dir kleine, passende Produkte, die zu euch passen?
Genau. Das war von Anfang an, was ich machen wollte. Aber für mehr ist der Laden leider zu klein, habe ich gemerkt. Wir haben am Eingang schon eine kleine Glasvitrine, aber wenn es hier so voll ist, sieht das niemand. Da müsste man extra eine Ecke schaffen, wo man alles präsentieren kann. Mal sehen, was die Zukunft bringt…
Zur Fashion Week hatten wir auch unser erstes Catering, direkt für 250–300 Personen. Wir haben unseren eigenen Stand aufgebaut, ganz viele Blumen getrocknet und das Essen auf riesigen Holzbrettern live vor den Leuten zubereitet und dekoriert. Das hat super geklappt und alle waren total glücklich.
So etwas werden wir in Zukunft bestimmt öfter machen, wenn wir weitere Anfragen bekommen. Aber die Organisation ist schon ziemlich viel Aufwand. Wenn man sich so viel Mühe gibt, muss man halt viele Sachen besorgen, dann sind das ganz viele Schritte. Man könnte es sich ja einfach machen und alles irgendwo an einem Ort kaufen, aber das mache ich eben nicht. Manchmal mache ich es damit wahrscheinlich komplizierter, als es eigentlich ist. Aber so bin ich halt.
Aber diese Details machen es ja gerade so schön.
Ja genau.
Wenn du also das nächste Mal in Berlin Neukölln unterwegs bist, solltest du dem Roamers unbedingt einen Besuch abstatten. In der Zwischenzeit kannst du schonmal ihre Fotos auf Instagram bestaunen und dir das Motto ihres Tumblrs zu Herzen nehmen: „You’re only here for a short visit. Don’t hurry, don’t worry. And be sure to smell the flowers along the way.“
Ich bin am Wochenende in Berlin und ich werde mal vorbeischauen
Eine sehr sehr gute Idee, Neni!