Neulich saß ich mit einer guten Freundin im Auto von Köln nach Berlin. Kurz vor der Berliner Stadtgrenze stieg in uns langsam die Vorfreude auf, nach einigen Wochen wieder in der Stadt zu sein. „Fühlt sich für dich Berlin nun auch schon wie zuhause an?“ fragte sie mich und ließ keinen Zweifel, dass die Stadt für sie mittlerweile zu ihrem Nest geworden ist.
Doch obwohl ich hier schon mehrere Jahre lebe und mich die meiste Zeit davon auch sehr wohl fühle, konnte ich diese Frage nicht mit einem klaren Ja beantworten. Im Gegenteil: Die Frage machte mich die restlichen 10 Kilometer bis zu meiner Haustür sehr nachdenklich.
Ja, ich freute mich in diesem Moment, wieder in der Stadt zu sein. Schließlich mag ich die Stadt wirklich sehr und verbinde viele gute Erinnerungen mit ihr. Zudem leben hier auch einige Menschen, die mir sehr viel bedeuten und auf die ich mich besonders freue, wenn ich zurückkomme.
Ich mag Currywurst, trinke im Sommer Berliner Weiße mit Schuss und meide die Friedrichstraße. Ich habe mich sogar daran gewöhnt, beim Bäcker Schrippen zu bestellen und grundsätzlich immer zuerst ein grimmiges Gesicht zu ziehen, wenn mich jemand etwas fragt. So wie es sich für einen Berliner eben gehört.
Die Stadt ist mir vertraut und – vom Winter einmal abgesehen – fühle ich mich hier sehr gut aufgehoben. Auch das Gemotze der Busfahrer und die patzige Art der Kassiererin im Supermarkt stört mich nicht mehr.
Die Stadt gibt mir Energie und ich habe ihr viel zu verdanken. Aber sollte ich deshalb Heimatgefühle für sie entwickeln oder sie bereits entwickelt haben? Irgendwie fühlt es sich nicht so an. Ich bin gerne hier, aber Berlin als Zuhause zu definieren, das gelingt mir irgendwie nicht.
Gerade für jemanden, der so viel Zeit im Ausland verbracht hat und so häufig umgezogen ist wie ich, für den ist der Begriff „Zuhause“ etwas schwieriger zu definieren. 8 Wohnungen in 3 deutschen Städten innerhalb von 10 Jahren. Dazu 4 Auslandsaufenthalte von mehr als 6 Monaten, zahlreiche kürzere Aufenthalte von 2-3 Monaten.
Wie definiert man da eigentlich noch Heimat? Mit der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, fühle ich mich ebenfalls nicht mehr sonderlich verbunden. Ich kenne dort außer meinen Eltern niemanden mehr und auch meine Eltern ziehen in einigen Monaten endgültig von dort weg. Also auch kein Grund, weiterhin Heimatgefühle mit der Geburtsstadt zu verbinden. Im Gegenteil, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis all meine Verbindungen mit der Stadt, in der ich geboren wurde, für immer gekappt sind.
Wie machen es andere Weltenbummler? Einige (digitale) Nomaden und Weltenbummler bezeichnen das, was einer Heimat wohl am nächsten kommt ,als ihre sogenannte „Homebase“. Ein Ort, an den sie nach längeren Auslandsaufenthalten immer wieder zurückkommen und an dem sie, wenn schon keine feste Wohnung, zumindest eine Lagerbox oder einen Keller gemietet haben und vielleicht noch einen Schreibtisch im Coworking Space unterhalten.
Ihr Sommerlager sozusagen, in dem sie sich niederlassen, wenn sie in Deutschland sind. Manch einer von ihnen würde Homebase wohl mit Heimat gleichsetzen. Home = zuhause. Base = Basis. Dahoam is dahoam. Auch bei den Nomaden.
Andere Freunde von mir, die ebenfalls viel reisen und keine „Heimatbasis“ unterhalten, definieren Heimat über ihren Geburtsort, in dem nach wie vor ihre Eltern leben und auch einige Schulfreunde verblieben sind. Für wieder andere ist ihre Heimat einfach der Ort, an dem sie seit mehreren Jahren leben, einen Partner gefunden haben und ein soziales Netz aufgebaut haben.
Wären diese Dinge für mich wichtige Kriterien, um Heimat zu definieren, dann wäre Berlin wohl mein Zuhause. Zwar habe ich dort keine Lagerbox, aber immerhin zumindest eine Eigentumswohnung, die ich zwar meist vermiete, aber hin und wieder auch einmal selbst nutze. Allein, um mich um die Wohnung zu kümmern, muss ich schließlich ab und an in der Stadt sein. Zur Heimat wird die Stadt aufgrund der Wohnung für mich aber nicht.
Vor kurzem war ich wieder in Köln, der Stadt in der ich 7 Jahre meines Lebens verbracht habe. Fast alle davon extrem glückliche Jahre. Auch in dieser Zeit konnte ich zwar die Füße nicht still halten und war viel unterwegs, aber trotzdem kam ich immer wieder, obwohl sich die Stadt schon nach kurzer Zeit irgendwie sehr klein und etwas piefig anfühlte und ich Karneval außerdem noch nie sonderlich mochte.
Ich lebte in Nippes. Viele anatolische Familien, einige Lesben aus der Eifel, Patchworkfamilien und Urkölner, die dieses Viertel lebendig halten. Eine tolle Mischung, irgendwie einfach gemütlich. Wer weiß es schon, vielleicht zieht es mich da irgendwann wieder hin. Aber auch dort kommt nicht so ein richtiges Gefühl von Heimat auf. Zumindest nicht ausreichend stark.
Eigentlich sollte doch ein Zuhause dort sein, wo man sich immer wieder hingezogen fühlt. Und um das zu definieren, muss ich mir die Frage stellen, warum ich mich eigentlich immer wieder an bestimmte Orte gezogen fühle. Warum komme ich zurück?
Die Antwort ist einfach und erschreckend naheliegend. Es sind Menschen, die mich immer wieder in bestimmte Städte ziehen, und ganz besonders nach Berlin und Köln. Die Stadt als solche oder irgendwelche Gegenstände, die dort lagern, spielen dabei überhaupt keine Rolle.
Es sind und waren einzig und allein die Menschen. Nicht nur bei Köln war das der Grund, auch bei Berlin ist es so. Wäre in der Stadt niemand, der mir wichtig ist, dann wäre ich dort nur ein Besucher, völlig egal, wie viele Möbelstücke und Koffer ich dort in Wohnungen, Kellern und Lagerboxen gelagert hätte. Die Menschen sind das, was mich hält.
Viele Menschen verbinden mit Heimat einen Ort. Die Fähigkeit dazu habe ich mir womöglich durch meine Rastlosigkeit selbst zerstört. Sie ist weg! Fest steht, dass weder Gegenstände noch Orte auf einer Landkarte mir jemals das Gefühl von Heimat vermitteln können. Vielleicht ist es auch eine Frage des Typs. Ich hänge jedenfalls nicht an Wohnungen oder Gegenständen. Sie laufen ja nicht weg. Aber ich hänge an Menschen. Tatsächlich mehr, als ich es oft wahrhaben will und mir selbst eingestehe.
Es scheint, als konnte ich mittlerweile Frieden schließen mit meiner Definition von Heimat. Heimat ist für mich schlichtweg nicht mit Orten oder Dingen verbunden, sondern einzig und allein mit den Menschen, die mir wirklich wichtig sind.
Meine Heimat liegt somit ein bisschen überall. Zumindest überall dort, wo ich jemanden kenne. Keine Stadt ist meine Heimat, aber in mehreren Städten ist jemand, der mir ein Gefühl von Heimat gibt. In manchen mehr, in manchen weniger, aber immer, weil dort Menschen leben, die mir etwas bedeuten.
Und hier schließt sich für mich auch der Kreis… Denn auch auf Reisen geht es nicht im Orte, sondern um Menschen. Um die Menschen, die ich vor Ort kennenlerne, die Menschen, mit denen ich einen Ort besuche oder die Menschen, die ich vermisse, wenn ich gerade weit von ihnen entfernt bin. Es geht nie um Orte, sondern um Menschen.
Worum geht es für dich? Wie definierst du Heimat?
Titelbild: 22places.de
Ein wirklich sehr schöner Beitrag, hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich fühle mich immer mittendrin zwischen Fernweh und Heimatliebe, habe aber tatsächlich noch nie darüber nachgedacht was Heimat eigentlich bedeutet. Und ja – es sind die Menschen, ganz klar. Und weil in Köln die meisten Menschen sind die mir etwas bedeutet geht mein Herz auf wenn ich den Dom sehe!! Immer wieder! Ganz liebe Grüße Julia