Kaum eine Stadt hat eine so wechselvolle Geschichte wie Berlin. Ich habe mich auf eine Spurensuche begeben und die interessantesten Orte gesucht, die heute noch an die deutsch-deutsche Teilung erinnern.
Berlin ist für mich die vielseitigste Stadt, die es gibt. Man kann hier alles haben – Punk und Luxus, Natur und Betonwüsten, historische Bauwerke und moderne Architektur, Party und Entspannung. Ich mag es, immer wieder neue Facetten dieser Stadt zu erkunden und mit meiner Kamera festzuhalten. Auch nach mittlerweile 6 Jahren in Berlin entdecke ich noch regelmäßig neue Ecken, die mich überraschen und faszinieren.
Verfall und Neuaufbau sind in Berlin allgegenwärtig und stehen für die wechselvolle Geschichte der Stadt. In diesem Beitrag nehme ich dich mit auf eine kleine Zeitreise zu den Orten in Berlin, die noch heute an die Geschichte der Stadt vor 1989 erinnern. Auf geht’s.
Arbeiterpaläste und Sozialistische Architektur
Die Karl-Marx-Allee ist ein Paradebeispiel für die sozialistische Architektur der 50er und 60er-Jahre. Es lohnt sich, die drei Kilometer lange Straße vom Frankfurter Tor bis zum Alexanderplatz zu Fuß zu erkunden und die verschiedenen Baustile genauer in Augenschein zu nehmen.
Los geht es am Frankfurter Tor mit den Arbeiterpalästen im Zuckerbäckerstil, die hier mit zwei großen Türmen links und rechts der Straße ihren Höhepunkt haben. Die Ladengeschäfte tragen teilweise noch die historischen Schriftzüge vergangener Zeit, beheimaten heute aber Galerien, Gastronomie und Design-Shops.
Architektonisch interessant sind außerdem das Café Moskau, das Kino Kosmos und das Kino International. Das Kino International war das Vorzeigekino der DDR und ist auch heute noch eines der schönsten Kinos in Berlin. In Richtung Alexanderplatz wird die Architektur dann immer zweckmäßiger und trister.
So kommst du hin: U5 Frankfurter Tor, M10 Frankfurter Tor
Was wollen die denn im Osten mit der Weltzeit?
Ein Dialog aus dem Film Herr Lehmann geht so: „Im Osten treffen sich die Leute immer an der Weltzeituhr.“ – „Was wollen die denn im Osten mit der Weltzeit?“ Eine sehr berechtigte Frage. Wenn man schon nicht nach New York und Tokyo reisen konnte, so wusste man dennoch immer, wie spät es dort war.
Die Weltzeituhr steht im Zentrum des Alexanderplatzes und zeigt, wie spät es in 148 Städten weltweit gerade ist. Sie ist ein kleiner Lichtblick auf dem Alexanderplatz, der wie die Karl-Marx-Allee für die Architektur der DDR steht. Schön war der Alex schon zu DDR-Zeiten nicht und es sieht so aus, als würde sich auch in Zukunft nichts daran ändern. Gesehen haben muss man ihn trotzdem – ein Foto der Weltzeituhr mit dem Fernsehturm im Hintergrund gehört zum Standard-Repertoire eines Berlinbesuchs.
Wenn du den Fernsehturm einmal aus einer anderen Perspektive erleben möchtest, empfehle ich dir einen Abstecher auf die Dachterrasse des Park Inn-Hotels. Für schlappe 3 Euro Eintritt erhältst du Zugang zu einem der schönsten Aussichtspunkte in Berlin und kannst ein Erinnerungsfoto auf Augenhöhe des Fernsehturms schießen.
So kommst du hin: S+U2+U5+U8 Alexanderplatz
Hier nahm die Geschichte ihren Lauf – Grenzübergang an der Bornholmer Straße
Die Bösebrücke am Grenzübergang Bornholmer Straße ist eines der Symbole des Mauerfalls. Kurz nachdem die Öffnung der Grenzen bekannt gegeben wurde, war dies der erste Ort in Berlin, an dem die Trabis gen Westen rollten. Die Bilder davon gingen um die Welt und werden alljährlich am 9. November wieder gezeigt.
Heute ist der Ort eher unscheinbar. Der Verkehr zwischen Pankow in Ostberlin und Wedding in Westberlin fließt ungehindert und schnell über die Bösebrücke und man merkt kaum, dass man sich an einem historischen Ort befindet. Einige Mauerreste und eine kleine Ausstellung erinnern aber an die historische Bedeutung dieses Ortes.
So kommst du hin: S Bornholmer Straße
Osten? Westen? Niemandsland! – Das Baumhaus am Bethaniendamm
Einen besonders skurrilen Schauplatz der deutsch-deutschen Teilung findest du an der Schnittstelle zwischen Kreuzberg und Mitte. Auf einer kleinen, dreieckigen Verkehrsinsel am Bethaniendamm steht das Baumhaus von Osman Kalin. Die Verkehrsinsel war bis 1989 Niemandsland. Eigentlich gehörte sie zum Staatsgebiet der DDR. Aus Kostengründen wurde die Mauer damals allerdings nicht um die Insel herum gebaut, sondern schnurgerade entlang der Straße. Obwohl sie eigentlich in der DDR lag, war die Verkehrsinsel deshalb vom Westen aus zugänglich.
Osman Kalin annektierte das Stückchen Land kurzerhand, baute Gemüse an und errichtete rund um zwei Bäume eine kleine Hütte. Nach der Wende durfte er mit einer Genehmigung des Bezirks bleiben und so sitzt Osman Kalin auch heute noch mit fast 90 Jahren vor seinem Baumhaus und trinkt Tee. Besonders gesprächig ist er allerdings nicht.
So kommst du hin: Bus 140, 147, 265 Bethaniendamm
Abschiedsschmerz im Tränenpalast
Etwas unscheinbar liegt die ehemalige Grenzabfertigungshalle zwischen dem Bahnhof Friedrichstraße und dem neugebauten Architekturmonster Spreedreieck. Hier verließen tausende BRD-Bürger ihre Verwandten im Osten und reisten mit der Bahn zurück in die westdeutsche Heimat. Die unzähligen vergossenen Abschiedstränen brachten der Abfertigungshalle den Namen Tränenpalast ein.
Heute befindet sich im Tränenpalast eine Ausstellung. Das Interieur von damals wurde teils original, teils rekonstruiert wieder aufgebaut und vermittelt einen Eindruck der bedrückenden Atmosphäre von damals.
So kommst du hin: S+U6 Friedrichstraße
Verlassene Wachtürme als stumme Zeugen der Zeit
Es ist gar nicht so einfach, heute noch einen der über 300 Wachtürme zu entdecken, die einst entlang der Berliner Mauer standen. Auf jedem der Wachtürme standen bis zu vier Grenzsoldaten, das Gewehr stets im Anschlag. Heute gibt es nur noch drei Türme, die an die düstere Geschichte der Maueropfer erinnern.
Einer der Türme steht im Schlesischen Busch an der Grenze der Bezirke Kreuzberg und Treptow. Er diente früher als Führungsstelle, von hier wurden 18 weitere Türme und die Grenzanlagen der Umgebung beaufsichtigt. Mittlerweile wirkt er wie ein Fremdkörper zwischen der Berliner Clubkultur am benachbarten Spreeufer und dem ausgelassenen Leben im Park. Nur durch seine zahlreichen Graffitis passt er sich etwas in die Umgebung ein.
Für Besucher geöffnet wird der Turm nur zu besonderen Veranstaltungen. Zwei andere Wachtürme können hingegen besichtigt werden. Im Wachturm an der Kieler Straße in Mitte befindet sich heute die Gedenkstätte Günter Litfin, die an den ersten Mauertoten und die zahlreichen anderen Opfer erinnern. Einen weiteren Wachturm kann man in der Nähe des Leipziger Platzes besichtigen. Im Gegensatz zu den anderen erhaltenen Türmen hat dieser einen runden Querschnitt und ist der einzige erhaltene seiner Art.
So kommst du hin:
Wachturm Schlesischer Busch, Am Flutgraben 3, U1 Schlesisches Tor, S Treptower Park;
Wachturm Leipziger Platz, Erna-Berger-Straße 7, S+U2 Potsdamer Platz;
Wachturm Kieler Straße 2, U6 Schwartzkopffstraße
Rotfront – Ernst Thälmann im Prenzlauer Berg
Was Lenin nicht vergönnt war, hat Ernst Thälmann geschafft. Sein Denkmal hat die politische Wende überlebt und steht noch immer im Prenzlauer Berg. Rotfront steht in großen Lettern am Sockel geschrieben und Thälmann streckt die Faust trotzig empor.
Ob ihm das heutige Berlin gefallen hätte? Wahrscheinlich nicht. Der große Platz vor dem Denkmal wird mittlerweile von Skatern bevölkert und das Denkmal selbst wird regelmäßig mit Graffiti verziert. Sicher ein trauriger Anblick für die Genossen, die noch immer zweimal im Jahr zum Geburtstag und Todestag von Ernst Thälmann zu seinem Denkmal pilgern.
So kommst du hin: S Greifswalder Straße, M4+M10 Greifswalder Str. / Danziger Str.
Touri-Zirkus statt Gedenken – Der Fluch der Popularität
Was ist eigentlich mit den bekannten Monumenten der deutschen Teilung? Brandenburger Tor, Checkpoint Charlie, East Side Gallery? Historisch gesehen dürfen diese Orte natürlich in einem solchen Beitrag nicht fehlen und wenn du sie noch nicht gesehen hast, solltest du ihnen auf jeden Fall einen Besuch abstatten. Mach dich aber auf Touristenhorden und all die damit einhergehenden Begleiterscheinungen gefasst.
Am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor kommt man sich schon manchmal wie im Zirkus vor. Verkleidete Grenzsoldaten, wahlweise in DDR-, Sowjet- oder US-Uniform, Berliner Bären, Pantomime und andere Kleinkünstler kämpfen um das Kleingeld der Touristen. Kaum anders sieht es am Checkpoint Charlie aus. Wer möchte, kann sich hier einen DDR-Stempel in seinen Pass geben lassen und an einem der zahlreichen Verkaufsstände eine sowjetische Fellmütze oder eine Gasmaske als Souvenir erstehen.
Auch die East Side Gallery wird von Touristen mittlerweile regelrecht überrannt. Das längste, erhaltene Teilstück der Berliner Mauer und gleichzeitig die längste Open Air-Galerie der Welt zeigt über 100 Kunstwerke. Eines der bekanntesten ist sicherlich der Bruderkuss, der Breschnew und Honecker in inniger Zweisamkeit zeigt. Leider verwechseln viele Touristen die Kunstwerke mit einer Klowand, sodass einige Bilder schon fast bis zur Unkenntlichkeit beschmiert sind.
Und dann gibt es da natürlich noch den Mauerpark. Bis 1989 verlief die Grenze zwischen Ost und West direkt durch den Park. Im Hintergrund sieht man die mächtigen Flutlichtmasten des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks, wo der vom Regime geförderte Fußballclub BFC Dynamo in den 80er Jahren eine Meisterschaft nach der anderen feierte. Direkt hinter dem Stadion lag das Grenzgebiet, Mauerreste sind hier auch heute teilweise noch zu sehen. Heute bevölkern jeden Sonntag Tausende Berliner und Touristen den Flohmarkt am Mauerpark und treffen sich mit Bier und Club Mate ab 15:00 Uhr zum großen Karaoke-Singen.
So kommst du hin:
Brandenburger Tor, S + U55 Brandenburger Tor
Checkpoint Charlie, U6 Kochstraße
East Side Gallery, S Ostbahnhof, S+U1 Warschauer Straße
Mauerpark, U2 Eberswalder Straße, M10 Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark
Sehr schöner Bericht, allerdings mit einer winzigen Ungenauigkeit. Die East Side Gallery ist kein erhaltenes Stück der Mauer und kein Mahnmal der Teilung, sondern der Wiedervereinigung, ist sie doch nach der Maueröffnung entstanden. Die Mauer befand sich ein ganzes Stück in Richtung Spree und ist nicht mehr vorhanden.
Ja, stimmt. Die East Side Gallery befindet sich an der sogenannten Hinterlandmauer, die hier aber optisch mit der „normalen“ Mauer identisch war. An dieser Stelle gab es sonst aber keine richtige Mauer, da die Spree hier die Grenze markierte. Die Kunstwerke wurden erst nach dem Mauerfall angebracht und befinden sich ja auch auf der Ostseite der Mauer.