Dass der Balkan eine Reise wert ist, dürfte nichts Neues mehr sein. Alle schwärmen von Budapest und Dubrovnik. Wir hätten da einen weiteren Vorschlag: Sofia. Die Stadt punktet mit Ostblock-Charme, modernem Design und wunderbarer Gelassenheit. Lust auf einen günstigen und entspannten Wochenend-Trip? Dann nichts wie los!
Ich hatte Sofia bereits seit ein paar Jahren im Hinterkopf. Die Sofia Design Week, bulgarisches Grafikdesign, günstige Preise… die Kombination klingt für mich schon ziemlich verlockend. Aber irgendwie kam immer ein anderes Reiseziel dazwischen. Kein Wunder also, dass Dennis und ich sofort ‚Ich will!‘ gerufen haben, als bulgariatravel uns zu einer einwöchigen Tour einlud. Erste Station: Sofia. Gerade im Herbst ist die Stadt perfekt, um bei Temperaturen um die 20° Grad durch die Straßen zu streunen und noch ein wenig Sonne zu tanken.
Das Erste, was wir in Sofia gemerkt haben: Du kannst alles entspannt erlaufen. Und mit entspannt meine ich entspannt. Wirklich. Ganz ehrlich. Ich weiß, dass ich dazu neige, an neuen Orten kilometerweit zu Fuß zu gehen. Aber mit ihren 1,2 Mio. Einwohnern ist Sofia eine relativ kleine Hauptstadt. Die meisten der schönen Ecken liegen kompakt im Zentrum. Du kannst die Blasenpflaster also getrost zu Hause lassen.
Und da alles so schön nah beieinander ist, kommst du ganz automatisch an vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei. Um dich dann den interessanten Orten direkt nebenan widmen zu können. Die Alexander Newski Kathedrale, das Wahrzeichen der Stadt, sticht mit ihren goldenen Kuppeln schon beim Blick aus dem Flugzeug aus dem Stadtbild heraus. Ja, sie ist beeindruckend, vor allem während der Dämmerung. Ich habe sie auch brav umrundet… um zu dem kleinen Flohmarkt zu kommen, der sich direkt auf der Rückseite des Gebäudes befindet.
Das Nationaltheater Iwan Wasow ist ein großartiger Ort… vor allem wegen des Parks, in dem die Locals auf der Wiese sitzen und die warmen Sommerabende genießen. Den Vitosha Boulevard, Sofias größte Einkaufsstraße, haben wir schon allein aufgrund der Touristenmassen gemieden… und in den ruhigen Nebenstraßen tolle Restaurants gefunden. Also keine Sorge, du wirst nichts verpassen, obwohl ich dich in die schönen kleinen Ecken der Stadt lotsen möchte. Fangen wir damit doch bei der Unterkunft an.
10:00 – Ankunft in der Stadt
Eine der besten Optionen ist es, dir eine Unterkunft über AirBnB zu suchen. Wir können dir vor allem die Gegend rund um die Ulitsa Tsar Shishman und die Ulitsa Neofit Rilski empfehlen. Ulitsa bedeutet übrigens ‚Straße’. Hier wimmelt es nur so von kleinen Cafés und Läden. Ein perfekter Ausgangspunkt für den Tag also. Die Kosten für ein schönes Apartment liegen bei etwa 35–50€ pro Nacht. Ziemlich günstige Preise – vor allem, wenn du in Begleitung reist.
10:30 – Kaffeeklatsch beim Bäcker
Eins vorneweg: Nachdem ich von meinen Mitmenschen anfangs nur besorgte Gesichter geerntet habe, weil ich als Vegetarier nach Bulgarien reise, war ich auf das Schlimmste vorbereitet. Völlig unnötig, das vegetarische Essen in Bulgarien ist extrem lecker. Ja, auch das Fleisch, habe ich mir von Dennis bestätigen lassen.
Nur mit dem Frühstück konnte ich mich nicht so recht anfreunden. Landestypisch ist Baniza, eine Art gefülltes Blätterteig-Gebäck. Und Boza, ein relativ dickflüssiger Getreide-Shake, der extrem satt macht. Aber ich kann mir nicht helfen: Morgens bin ich ein Ignorant und brauche einfach Kaffee. Und deftiges Essen verschiebe ich lieber auf später. Gut, dass das Hlebar (was übersetzt ‚Bäcker‘ bedeutet) auf der Ulitsa Tsar Shishman beides vereint. Neben gutem Kaffee und frisch gebackenen, hausgemachten Leckereien bekommst du hier auch die traditionellen Baniza und kannst den Tag ruhig angehen lassen.
Eine ebenso gute, vegetarisch-vegane Bäckerei ist das Sun & Moon. Sie haben insgesamt drei Filialen in der Stadt, aber für ein Frühstück in der Morgensonne gefällt mir ihre Terrasse auf der Ulitsa 6-ti septemvri am besten.
Übrigens, vielleicht sollte ich es direkt am Anfang erwähnen: Sofia ist ein Wi-Fi-Paradies. Ich glaube, es gibt in der Stadt keinen Ort, an dem du keinen WiFi-Hotspot findest. Egal, wie klitzeklein das Café oder Restaurant auch sein mag. Was nicht heißt, dass du den Tag in den Untiefen deines Smartphones verbringen solltest. Aber es ist extrem praktisch, sich zwischendurch all die kyrillischen Buchstaben übersetzen zu können.
11:30 – Kleine Shops und schöne Straßen
Auf der Ulitsa Tsar Shishman und den kleinen Nebenstraßen gibt es noch einiges mehr zu entdecken. Die Gegend gehört auf jeden Fall zu unseren Favoriten. Eigentlich reihen sich hier fast ausnahmslos kleine Geschäfte und Cafés aneinander. Direkt nebenan findest du beispielsweise den Elephant Bookstore mit einer riesigen Auswahl englischer Second-Hand-Bücher und nettem Krimskrams. Falls du also auf der Suche nach einem Souvenir für deine Liebsten daheim bist, wirst du hier ganz sicher fündig. Also wenn du mich fragst, ich würde mich für eine der alten Ausgaben des New Yorkers entscheiden. Oder die Jonglierbälle.
Es lohnt sich, auch die Straßen selbst zu erkunden. Neben Street Art und bunt bemalten Hausnummern und Stromkästen findest du hier auch die typisch bulgarischen Kleks (was übersetzt ‚hocken‘ bedeutet) – Kioske, deren Verkaufsfenster sich direkt über dem Bürgersteig befinden.
Danach kannst du dir deinen Weg vorbei an der Sveti Sedmochislenitsi Kirche zur Ulitsa Graf Ignatiev bahnen. Hier gibt es einen tollen Markt, der definitiv einen Besuch wert ist. Ein bulgarischer Fotograf hat mir den Tipp gegeben, den Markt schon bei Sonnenaufgang zu besuchen, während die Händler ihre Kisten umherschleppen und die Stände aufbauen. Leider hat unsere Zeit in Sofia dafür nicht mehr ausgereicht. Wenn du also tolle Fotomotive suchst, solltest du dir für den nächsten Morgen besser einen Wecker stellen. Ansonsten ist der Open-Air-Buchmarkt auf dem Slaveykov Platz ein Stück weiter eine gute Alternative.
14:00 – Mittagessen abseits der Touristen-Hotspots
Hinter dem Slaveykov Platz läufst du links über die Ulitsa Solunska direkt auf den Vitosha Boulevard zu. Ich möchte dir natürlich nicht zumuten, dich für dein Mittagessen an den Touristenmassen und Straßenverkäufern vorbeizwängen zu müssen. Du kannst vorher rechts in die Ulitsa Hristo Belchev abbiegen.
Das before & after auf der linken Seite ist ein ruhiges und verstecktes Restaurant und liegt genau parallel zur überfüllten Einkaufsmeile. Vor allem die zu Lautsprechern umfunktionierten alten Radios auf der Terrasse haben es mir sofort angetan. Von innen wirkt es eher wie ein altes Ballhaus. In der Mitte des Raumes plätschert ein Springbrunnen vor sich hin, an den Wänden reihen sich gemütliche Sitznischen aneinander.
Sollte dieser nostalgische Flair nicht ganz so dein Fall sein, hat Dennis mit Boom! Burgers auf der Ulitsa Karnigradska eine moderne Alternative gefunden. Und eine ziemlich gute Auswahl an Burgern natürlich. Dafür musst du allerdings doch den Vitosha Boulevard überqueren. Aber mit einer schnellen Rechts-Links-Kombination bist du dem Trubel in wenigen Minuten wieder entflohen.
15:00 – Entspannen vor dem Nationaltheater
Ich hatte es oben bereits erwähnt: Der Park vor dem Nationaltheater Iwan Wasow ist ein beliebter Treffpunkt innerhalb der Stadt. Setz dich auf die Wiese und genieß die Atmosphäre. Hier kannst du den Straßenmusikern lauschen oder den Locals bei ihren öffentlichen Tanzstunden vor dem Theater zuschauen. Es gibt doch nichts Besseres als Orte, an denen das Leben auf der Straße stattfindet.
17:00 – Handgemachtes aus Bulgarien
Für den späten Nachmittag gibt es einen Querschnitt durch die Handwerkskunst Bulgariens. Auf dem Flohmarkt neben der Alexander Newski Kathedrale wimmelt es von Ständen, an denen du traditionelle Produkte des Landes bestaunen kannst. Neben Ikonen, bemalten Holzkästchen, Babuschkas und anderen Touristenfängern findest du hier Genähtes, Besticktes, Geklöppeltes und mehr. In allen Formen und Farben, die die bulgarische Handwerkstradition so hergibt.
Die wundervollen Damen an den Ständen sprechen zwar meist nur bulgarisch oder höchstens ein paar Brocken Englisch, aber trotzdem wird man von ihnen sehr warm und herzlich empfangen. Mein heimlicher Favorit war allerdings der Stand voller alter Kameras. Da werde ich wirklich schwach. Für eine Sekunde habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, mir eine alte Leica zu kaufen, aber sie waren einfach zu teuer. Also muss ich weiter träumen…
Das moderne Gegenstück zu diesem Flohmarkt ist wahrscheinlich das +tova auf der Ulitsa Marin Drinov. Dieser Spot ist ein Allround-Talent: Café, Co-Working-Space, Ausstellungsraum und Designshop in einem. In dem großen Regal neben der Theke zeigt sich, was die moderne bulgarische Designszene so zu bieten hat. Detailverliebt illustrierte Tassen und Textilien, selbstgemachte Produkte und wunderschön gestaltete Bücher. Außerdem hängen die Wände voller Fotografien.
Da kribbelt es mir in den Fingern, selbst etwas Neues zu gestalten. Ich glaube, in diesem Laden deinen Laptop aufzuklappen, um ein wenig zu arbeiten, gibt dir einen ordentlichen Motivationsschub. Wer übrigens vorhat, ein wenig mehr Zeit in der Stadt zu verbringen: In Sofia gibt es auch ein betahaus.
19:00 – Kulinarische Astronauten und das gefährliche Nationalgetränk
Wenn dein Magen dir so langsam zu verstehen gibt, dass er nichts gegen Abendessen einzuwenden hätte, liegt die Lösung gleich um die Ecke. Die Überschrift des Menüs im 33 Gastronauts auf der Ulitsa Professor Asen Zlatarov hat uns so neugierig gemacht, dass wir nicht anders konnten, als es zu testen. Dort steht: „Ihr mutigen Gäste und Passagiere. Ihr habt euch auf eine Reise der Sinne eingelassen und darauf, den Geschmack von morgen zu probieren. Habt keine Angst, die Zukunft wird geschmackvoll.“
Wir wissen nicht, ob der Hummus mit Avocado und schwarzem Sesam oder der marokkanische Couscous mit Gemüse, Hirtenkäse und gerösteten Cashew-Kernen der Geschmack von morgen ist, aber oh ja, wir hätten uns reinlegen können. Und jahaaa, du hast mich durchschaut, natürlich fand ich ihr Logo in der Eingangstür auch ziemlich schick.
Genauso wie das Logo und das Design der Raketa Rakia Bar auf dem Boulevard Yanko Sakazov. Also wenn der Sozialismus in Sofia weiterlebt, dann an diesem Ort. Alte Telefone, Radios, Schallplatten, Fernseher, Schilder, Fahrräder… wir konnten uns an der Inneneinrichtung gar nicht satt sehen. Ach ja, hier bekommst du neben traditioneller bulgarischer Küche auch eine riesige Auswahl an Rakia, dem berühmten Nationalgetränk. Unbedingt testen! Aber Vorsicht: Das Zeug haut dich auch ganz schnell aus den Socken.
Und als entspannten Ausklang des Tages solltest du danach noch auf ein Getränk im Kanaal Biergarten auf dem Boulevard Madrid vorbeischauen. Wie der Name schon erahnen lässt, liegt es direkt am Perlovska Kanal. Die Entscheidung an der Theke könnte allerdings etwas länger dauern: Ihre Bier-Auswahl ist enorm. Lass dir einfach vom netten Personal etwas empfehlen.
Was mir übrigens zum Schluss noch einfällt: Wenn du es dir trotzdem nicht nehmen lassen willst, mehr über Sofia und die Geschichte der Stadt zu erfahren, dann bei der Free Sofia Tour. So kann ich mir wenigstens sicher sein, dass du keinen trockenen Geschichtsunterricht absolvieren musst, sondern viele Geschichten und Anekdoten mit auf den Weg bekommst. Die Tour startet jeden Tag um 11 und 18 Uhr vor dem Justizpalast. Keine Anmeldung, keine Kosten. Trotzdem freuen sich die Jungs und Mädels natürlich über ein Trinkgeld am Ende der Tour.
Wir danken an dieser Stelle bulgariatravel noch einmal dafür, dass wir uns Sofia für euch einmal genauer ansehen durften! Die oben genannten Spots sind übrigens unsere persönlichen und unabhängigen Empfehlungen, die wir auf eigene Faust erkundet haben.
Hey Kris, was ein wundervoller Artikel über Sofia.
Umso mehr bin ich nun traurig, nicht mehr Zeit für diese Stadt gehabt zu haben. Ich muss unbedingt noch einmal länger hier herkommen! LG Katrin
Danke schön!!! Ja, wir sind auch echt froh, die Extra-Tage gehabt zu haben. Wir können ja mal ne Balkan-Tour machen, ich wäre dabei
Eigentlich kenne ich keinen Neid. Aber auf Eure „längere Zeit“ in Sofia bin ich neidisch… Ich muss unbedingt wieder dorthin. Fotos & Text sind übrigens hinreißend.
Vielen lieben Dank Horst, ich fühle mich geehrt! Zumindest hatten wir alle noch ein paar sonnige Reststunden zusammen.
So hatte ich die Stadt noch gar nicht gesehen! Und das obwohl ich schon einige Male da war, Ein wirklich eindrucksvoller Bericht mit vielen echten Insider-Tipps! Gut gelungen.
Vielen lieben Dank Philip! Ist doch super, dann hast du beim nächsten Mal ein paar andere Seiten von Sofia, auf die du dich freuen kannst!
I like! Thanks for sharing. Hat was die Stadt.
Grüße aus Kiew!
Um ganz, ganz ehrlich zu sein: ich fand Sofia nicht besonders berauschend. Wir haben vor Ort 12 Einheimische gefragt, was man sich in der Stadt unbedingt anschauen sollte und keine(r) konnte uns etwas Konkretes empfehlen. Einzig die Alexander-Newski-Kathedrale ist wirklich beeindruckend (selbst die Georgs-Kirche war enttäuschend) und natürlich die Aussicht vom Witoscha-Gebirge.
LG, Vivienne
Hallo Kris,
Dein Beitrag hat mich mit Fernweh erfüllt. Ich habe vor 2011 selbst für einige Wintermonate in Bulgarien gelebt und war auch ein paar Mal da. Allerdings aber immer nur im bitterkalten Winter. Deine Tipps machen Lust mal zu wärmeren Temperaturen hinzufahren und durch die gemütliche Hauptstadt zu schlendern. Was mir neben Sofia auch noch gefallen hat, war Plovdiv. Die Stadt wird 2019 Kulturhauptstadt und lohnt für einen Wochenendbesuch.
Danke dir! Ja das solltest du auf jeden Fall tun, im Herbst war es echt perfekt mit dem Wetter. Und mit Plovdiv hast du total Recht, habe es auch empfohlen bekommen, hatte aber leider keine Zeit mehr. Aber so bleibt noch etwas Neues für’s nächste Mal… neben dem schwarzen Meer
Ein toller Bericht über Sofia, welches ich um das verlängerte Wochenende am 1. Mai besucht habe und deine Eindrücke nur bestätigen kann! Zusätzlich kann ich kulinarisch das Cabra in der Oborishte Str. empfehlen. Sehr, sehr klein, aber wunderbares Essen zu einem fairen Preis, http://www.cabra.bg/
Wunderbare Tipps über Sofia. Ich würde auch noch eine Reise nach Nessebar und Sozopol empfehlen. Man kann diese sehr einfach erreichen, zum Beispiel mit einem Leihwagen von https://toprentacar.de/.